Leonidas, Neuhaus, Godiva, Marcolini – bei solchen Namen denkt unsereiner in diesen Tagen womöglich an Fussballstars der bevorstehenden WM. Neuhaus sieht man für die Deutsche Nationalelf schon eifrig und flink dem Ball hinterherjagen und in Marcolini entdeckt gewiss manch einer einen Held der Squadra Azzurra, welcher an Balotellis Seite die Tifosi in Freudentaumel versetzt. Weit gefehlt. Bevor Laie nun das gesamte griechische Kader der Panini-Bildchen verzweifelt nach Leonidas durchsucht, sei gesagt, dass sich hier heute noch nicht alles um Fussball dreht. Bei Leonidas, Neuhaus, Godiva und Marcolini handelt es sich nämlich nicht um süsse Kicker, sondern um noch süssere Schokolade. Und nicht um irgendwelche, sondern um echt belgische. Die Belgier selber sind von ihrer Qualitätsschokolade in etwa so begeistert wie die Schweizer von der Ihrigen und hüben wie drüben wird mit Stolz und ohne Bescheidenheit behauptet, dass es sich bei der einheimischen Schoggi um die beste der Welt handle. Welches der beiden Länder sich nun tatsächlich mit dem Prädikat ‚Heimat der exquisitisten Kakao Träume’ rühmen darf, bleibe vorerst mal unbeantwortet. Fakt ist, dass es de chocola wie die Flamen sagen, durchaus mit derjenigen aus dem Alpenland aufnehmen kann. In Brüssels Innenstadt rund um den Grande Place reiht sich dicht an dicht ein Pralinen-Haus ans nächste. Hier entstehen Träume aus Ganache und Gianduja, Karamellnoten verbinden sich mit intensivherben Aromen zu neuen geschmacklichen Höhenflügen und Kokos-, Mango- oder Himbeermousse füllen zartschmelzende weisse Pralinen fruchtig leicht. Ungeahnte Geschmackskompositionen überraschen den gewohnten Toblerone-Gaumen mit Senf, Pfeffer oder Thymian Geschmack und die knackig süssen Trauben-Nuss Konfekte erinnern an die mondäne Schwester der Tourist-Schokolade. Wer bei Marcolini seine Gelüste stillt, könnte vergessen, dass es sich dabei um essbare handelt – im zweistöckigen Flagshipstore gibt es House-Musik, vornehm gedimmtes Licht und Spannteppich. Weniger überkandidelt, aber fast genauso gut präsentiert sich Leonidas, der mit seiner Auswahl keine Wünsche offen lässt. Wärmstens empfohlen sei hier noch das Spekulatius-Truffe. In der Geburtsstadt der Spekulatius veredeln Zimt, Kardamon und Nelken auch gekonnt Konfekt, Marshmallows, Tafelschokolade und alles andere.
Wär häts erfundä?
Neuhaus, einer der ältesten Chocolatiers in Belgien, vermag mit seinen farbigen Macarons sogar die anspruchsvolle Luxemburgerli-Fangemeinde zu überzeugen. Im Jahre 1857 eröffnete der Schweizer Auswanderer Jean Neuhaus eine Apotheke und konzentrierte sich vor allem auf Hustenbonbons – seine Herkunft, die Geburtsstätte des Ricola, muss gewirkt haben. Nebenbei führte er vereinzelte kakaohaltige Produkte. Seine Nachkommen setzten vermehrt auf die Schokolade und über weitere Generationen hinweg wurde den Hustenbonbons den Garaus gemacht. Neuhaus gehört heute zu den renommiertesten Chocolatiers Belgiens. Belgische Qualitätsschokolade, die ursprünglich von einem Schweizer Auswanderer stammt? Im Kampf um die Vormachtsstellung der weltbesten Schokolade steht es somit 1:0 für die Schweiz.
Um nun doch noch zum Fussball zu kommen… was die bevorstehende WM betrifft, muss neidlos anerkannt werden: Vorteil les Diables Rouges.
Eine Reise nach Brüssel lohnt sich aber nicht nur wegen der Spekulatius-Truffes – zugegeben, die allein wären schon fast Grund genug. Aber auch für alle diejenigen, welche bei Weihnachtsgewürz-Truffe im Sommer eher Appetitlosigkeit denn Verlangen verspüren, hat die Europäische Hauptstadt einiges zu bieten. Und sollte sich mal eine akute Überzuckerung bemerkbar machen, schafft man am besten schnell Abhilfe mit einer weiteren Spezialität mit Suchtcharakter, welche ebenfalls in Belgien ihre Heimat hat: Pommes frites.