Jutebeutel und Turnsack, Mini-Sukkulenten-Sammlung auf dem Küchenregal oder Flamingo und Ananas, die sich ein Kopf an Kopf Rennen liefern, für das meistgedruckte Motiv auf Notizbüchern, Handyhüllen oder Badetüchern. So ist das mit Trends. Heute der letzte Schrei, morgen Schnee von gestern. Die Tage der Ananas sind jedenfalls angezählt, sie hat ihren Höhenpunkt bereits hinter sich. Gerade halten wir Ausschau nach Mom Jeans, Manchester und Momos. Ja, Momos sind in aller Munde. Tacos ebenfalls. Exquisit sind sie beide. Auch Food Trends kommen und gehen. Poké Bowls, Avo-Hysterie und Chia-Welle, was wir nicht schon alles hatten. Bei #brutallokal ist das anders.
mehr als ein Hashtag
#brutallokal ist mehr als ein Hashtag – und mehr als ein Foodtrend. Lokal essen ist ökologisch, gesund und sinnstiftend. Ökologisch, weil lange Transportwege gespart werden. Gesund, weil man bewusst saisonal und biologisch einkaufen und Herkunft sowie Produktion zurückverfolgen kann. Sinnstiftend, weil man zur Förderung der Landwirtschaft vor Ort beiträgt, Beziehungen zu Bauern aufbaut und die Geschichten hinter den Produkten mitbekommt. Zudem, wer lokale Produkte kauft, kann sich den Saisonkalender sparen, denn was zu haben ist, hat auch Saison.
Wochenmarkt, Hofladen und Sammel-Lust
Der einfachste Weg, um an lokale Produkte zu kommen, ist der
Wochenmarkt. Zweimal die Woche besuche ich den Markt in Zürich Oerlikon, der
direkt vor meinem Zuhause stattfindet. Wenn ich morgens um 6 Uhr das erste Mal
aufwache, höre ich die Marktfahrer bereits ihre Tische aufstellen, Kisten voll von
Gemüse werden aus den Lastwagen gehieft, Preisschildchen montiert und Blachen
befestigt. Ich verspüre Vorfreude. Vorfreude auf den bevorstehenden Marktbesuch,
aufs Einkaufen und Plaudern. Die Bauern kommen aus Seebach oder Dänikon, von
Rümlang, Boppelsen oder Bachs. Alles in der Nähe, alles brutal lokal. Natürlich
gibt’s auch Stände, die zukaufen, das ist legitim, sollte aber beachtet werden,
wenn man lokale Produkte will. Der Bauer aus Seebach fährt immer mit dem
Traktor vor, hinter der Theke die gesamte Familie. Rosenkohl, Federkohl,
Kabisköpfe so gross wie im Balkan und noch ungewaschene, wunderschöne
Kartoffeln. Das Sortiment unterliegt keinen Trends, sondern bloss der Saison. Das
Angebot verändert mit den Jahreszeiten seine Fülle und Farbe. Während die
Auslage im Winter oft in grün und weiss gehalten ist, erstrahlt sie im Sommer
beerenfarben, rot und gelb. Mit Bauern kannst du immer übers Wetter reden, aber
längst nicht nur. Manchmal verraten sie dir Verwendungstipps für ihren
Quittensaft, überzeugen dich von den süssesten Zwetschgen in ihrem Angebot oder
offerieren die reifen, zwar leicht angeschlagenen, aber umso vollmundigeren
Tomaten fürs Sugo zu einem Spezialpreis. Persönlich Gespräche, Insider-Wissen
vom Feinsten und eine wunderbare Ausbeute machen den Marktbesuch immer und
immer wieder zu einem Erlebnis. Und das gleich vor der Haustür.
Wenn Produkte Geschichten erzählen
Wer es noch direkter mag, der wirft sich aufs Fahrrad und radelt zum nächsten Hofladen. Auch in der Stadt Zürich sind diese keine Seltenheit – und wenn nichtl hier, dann wohl nirgendwo sonst in unserem Land. Nach einer kurzen Velofahrt in Richtung Seebach komme ich auf dem Riedenholzhof an. Das ist ein einladender, gut gepflegter Bio Hof, geführt von einer stets freundlichen Bauersfamilie. Im Sommer lässt es sich hier ‘beerlen’ oder Bohnen lesen und das ganze Jahr hindurch versorgt der Hofladen mit knackigstem Gemüse und Früchten, eigenen Milchprodukten und frischem Fleisch. Der Hof hat sich spezialisiert auf Büffelmilch-Produkte und verkauft nicht nur Büffelrohmilch, sondern auch Büffelmilch-Feta, Camembert oder Mozzarella. Sagenhaft lecker. Wäre mein Fahrradkörbchen nicht schon übervoll, radelte ich etwas schneller zum nächsten Hof.
Milch vom Milchautomat
Der Waidhof in Zürich Affoltern ist ebenfalls biozertifiziert, hält Milchkühe, Schweine, Hühner, Kälber und Bienenvölker. Ab und zu komme ich hierher, um am Milchautomaten frische Rohmilch herauszulassen. Auch im Hofladen gibt’s vielerlei Delikatessen und nebst eigenem Obst, auch Eier, Honig und Hirse. Als ich das letzte Mal meine Thermosflasche mit frischer Milch füllte, kam gerade der Bauer mit einem Kessel voll gelber Milch ums Eck. Wieso er diese den Sauen gebe und vor allem, weshalb diese Farbe, waren meine Fragen. Er erklärte mir, die Milch sei von einer Kuh, die soeben gekalbert habe, also eben erst ein Kalb geboren. Diese Milch, auch Kolostrum genannt, sei viel reichhaltiger, nahrhafter, aber kaum gefragt. Daher würden seine Schweine in deren Genuss kommen, nicht aber die Milchautomaten-Pilger. Ich erinnere mich an Finnland, wo ein Käse, der Leipäjuusto aus eben genau dieser Kolostrum-Milch eine Spezialität ist. Das ist typisch für einen Besuch auf dem Hof. Irgendwas lerne ich immer dazu, mit irgendeiner Geschichte fahre ich gut gelaunt und noch besser beladen heimwärts.
Es gibt einige Seiten im Netz, welche die Hofläden in deiner Nähe sammeln und aufbereiten. Für Zürich schaust du am Besten auf:
https://www.stadtgmues.ch/
Bier & Wurst
Im Hofladens des Waidhof decke ich mich regelmässig mit Würsten ein. Nicht mit irgendwelchen, sondern mit dem Stadtjäger von Mika. Mika produziert seine Würste in Oerlikon, keine 500m von mir entfernt. Immer Donnerstag macht er einen Rampenverkauf – anderntags sind die Produkte in ausgewählten, kleinen Feinkostgeschäften zu haben, oder eben dem Hofladen des bereits vorgestellten Waidhof. Und wieder drängt sich eine Geschichte auf. Mika produziert in Oerlikon, im elften Kreis von Zürich. Das Fleisch für seine Würste holt er bei besagtem Waidhof in Affoltern, ebenfalls im Kreis 11. Die Schweine vom Waidhof bekommen zum Essen immer wieder Treber vorgesetzt, das Malz das beim Bierbrauen übrig bleibt. Dieser Treber kommt von Dani, der ebenfalls im 11i , das stadtbekannte Oerliker Bier braut. Wenn das mal kein brutal lokaler Kreislauf ist. Dass Dani und Mika ihre Würste essen ihr Bier auch ganz gerne mal zusammen geniessen, macht aus dieser lokalen Geschichte, noch dazu eine richtig schöne.
Ein paar coole lokale Produzenten:
Suur für Saures und Fermentiertes
Quitten aus der Nachbarschaft
Hofläden und Marktbesuche sind das eine, selber aktiv werden das andere. Die hiesigen Wälder sind im Herbst voller Pilze, im Sommer gibt’s mitten in der Stadt üppiger Holunder, vielerlei Wildkräuter oder essbare Blüten – die Natur hat auch in städtischer Umgebung vieles zu bieten. Aus Tannenschösslingen lässt sich eine Art Honig machen und mit Löwenzahn oder Flieder Sirup und Tee. Auf meiner Jogging-Route renne ich immer wieder durch den alten Dorfkern vom Schwamendingen, ebenfalls in Zürich, aber diesmal Kreis 12. Im Herbst sind die Quittenbäume in den Gärten stolz bestückt mit kleinen, wunderschön pelzigen Früchten. Die Besitzer eines ebensolchen Quittenbaumes haben die Früchte abgelesen und sie in eine Waschzaine vor das Gartentürchen gestellt. Auf einem A4 Blatt stand geschrieben: zum Mitnehmen. Joggen hin oder her, füllte ich mir eine Tüte, die ebenfalls beigelegt wurde, und rannte beseelt und gut bestückt mit einer Vielzahl Quitten heimwärts. Ich kochte Quittenmus, machte Crumble und Kompott. Ein Glas Quittenmus hab ich bei der nächsten Joggingrunde mitgenommen und in den Briefkasten der unbekannten Quitten-Spender gelegt. Sinnstiftend hab ich schon gesagt, oder? Das gehört dann wohl auch in diese Kategorie.
Mezze von nah statt fern
Auf dem Markt Gemüse shoppen, find ich ziemlich grossartig. Noch besser wird’s, wenn die Ausbeute danach zu einem Mezze Schmaus verkocht wird. Als Mezze wird im arabischen, aber auch im türkischen oder persischen Raum die Art des Servierens der Vorspeise in vielen kleinen Schälchen genannt. Die Schälchen werden in der Mitte des Tisches aufgestellt, damit alle gemeinsam daraus essen und sich währenddessen unterhalten können. Sharing is caring eben. Dass eine Mezze Tafel auch ganz ohne Tahina, Granatapfel und Kichererbsen auskommt, beweisen folgende Rezepte. Die lokale Mezze Platte lässt sich natürlich je nach Saison, Vorlieben und Arbeitsaufwand variieren. Die Möglichkeiten sind schier grenzenlos. Das Wichtigste dabei bleibt: das Teilen. Freunde und Familie einladen, erzählen, zuhören und gemeinsam geniessen.
Viele exotische Zutaten lassen sich wunderbar durch heimische ersetzen. Anstatt Chiasamen kannst du Leinsamen verwenden, statt Acai gehen Heidelbeeren. Linsen und Bohnen machen gar die Kichererbsen fast vergessen. Und wie wär’s mit Hirse statt Couscous?
Rezepte für brutal lokale Mezze
Zutaten
KARTOFFEL WIRZ SALAT MIT SENFSAUCE UND MIKAS ZWICKERLI
- ½ Wirz
- 500 g kleine Kartoffeln
- 3 EL Rapsöl
- Einige Spritzer Apfelessig oder Zitronensaft
- Grobkörniges Meersalz Pfeffer aus der Mühle
- 1 Bund Schnittlauch
- 1,5 EL Grobkörniger Senf
- 2 EL Rapsöl
- 1 EL Apfelbalsam oder Weissweinessig etwas hochwertiger, gerne bisschen süsslich
- Grobkörniges Meersalz Pfeffer aus der Mühle
- Zwickerli von Mika
Anleitung
1
- Wirz und Kartoffeln waschen, Wirz in feine Schnitze schneiden, Kartoffeln halbieren. Wirz und Kartoffeln auf ein mit Backpapier belegtes Blech geben. Mit Öl und Essig oder Zitronensaft beträufeln, würzen. Im Ofen bei 180 Grad für 45 Minuten garen. Das Gemüse sollte schön gebräunt, gar, jedoch nicht angebrannt sein. Fürs Dressing alle Zutaten gut mischen und unter das Kartoffel-Wirz-Gemüse heben. Schnittlauch mit einer Schere fein zerschnipseln und ebenfalls untermischen.
2
- Die Würste noch gefroren auf den Grill oder in die Grillpfanne geben. Nach einigen Minuten voneinander trennen und dann goldbraun braten.
KALE SALAT MIT HONIG BIRNEN
Zutaten
- 8 Stangen Federkohl
- 2 Birnen
- 2 EL Honig
- 1/2 EL Rapsöl
- 3 EL Kürbiskernöl
- 1 EL Apfelbalsam
- Grobkörniges Meersalz Pfeffer aus der Mühle
- Sonnenblumen oder Kürbsikerne zum Garnieren
Anleitung
1
- Den Federkohl waschen und die Blätter vom Gerippe abstreifen, in Salzwasser für 3 bis 4 Minuten blanchieren, kalt abschrecken und gut ausdrücken. Birnen waschen, in Schnitze schneiden und in Öl und Honig in einer Teflonpfanne unter Aufsicht karamellisieren. Kürbiskernöl mit Apfelbalsam mischen, würzen und unter den Federkohl heben. Federkohl damit regelrecht einmassieren. Das macht ihn zarter. Mit karamellisierten Birnen und Kernen garnieren.
ROTKRAUT MIT WALNUSS DRESSING
Zutaten
- ½ Rotkohl
- 1 bis 2 EL Rapsöl
- 1 EL Apfelessig oder Zitronensaft
- Grobkörniges Meersalz Pfeffer aus der Mühle
- 1 bis 2 TL flüssiger Honig
- 1 Handvoll Walnüsse aus der Schweiz geröstet und zerstossen
- 2 EL Rapsöl
- 1 EL Zitronensaft
- 1 TL flüssiger Honig
- Etwas Zitronenpfeffer grobkörniges Meersalz
Anleitung
1
- Den Rotkohl in Schnitze schneiden, waschen. Die Rotkohlschnitze in eine mit Backpapier ausgelegte Backform geben und mit Rapsöl und Apfelessig beträufeln, mit Salz und Pfeffer würzen. Etwas Honig darüber träufeln und in der unteren Hälfte des auf 170 Grad vorgeheizten Ofens für 45 Minuten garen.
2
- Der Rotkohl sollte geröstet und durch sein, aber nicht anbrennen. Fürs Dressing die gerösteten Walnüsse im Mörser zerstossen, mit Öl, Zitronensaft und Zitronenpfeffer mischen und über den fertig gegarten Rotkrautschnitzen verteilen.
KÜRBIS-MUS
Zutaten
- 1 kleiner Butternusskürbis
- 3 bis 4 EL Vollrahm
- 4 bis 6 EL starke Bouillon je nachdem wie fest das Kürbisfleisch ist
- Grobkörniges Meersalz Pfeffer aus der Mühle
- 1 TL flüssiger Honig
Anleitung
1
- Den Butternusskürbis halbieren, einritzen und mit Rapsöl bestreichen. In der Mitte des vorgeheizten Ofens bei 180 Grad für circa 50 Minuten garen. Dann etwas auskühlen lassen und in grobe Stücke brechen.
2
- In einer Küchenmaschine das Kürbisfleisch mit Bouillon, Vollrahm und Honig fein pürieren. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Das Mus sollte sämig und dick sein. Je nach Konsistenz des Kürbis ist mehr oder weniger Bouillon und Vollrahm nötig. Bei Bedarf mit etwas Honig beträufeln und abschmecken.
BÜFFELFETA-JOGHURT DIP
Zutaten
- 200 g Büffel-Feta vom Hofladen des Riedenholzhofes oder ein anderer Feta aus der Region
- 100 g Naturejoghurt
- Grobkörnige Meersalz Pfeffer aus der Mühle
- Einige Spritzer Rapsöl zum Garnieren
- Micro Greens zum Garnieren
Anleitung
1
- Joghurt und zerbröckelter Feta in einer Küchemaschine mixen, würzen, mit etwas Rapsöl beträufeln und mit Microgreens garnieren. Dazu frisches Brot, selbstgemacht oder vom Bäcker deines Vertrauens. Ich habe mir beim Bäcker um die Ecke ein Urdinkelbrot gekauft. Oft geh ich auch zum Südhang in Oerlikon, der John Bakers Sauerteigbrot im Angebot hat, am Mittwoch und Samstag gibts auf dem Oerliker Markt ebenfalls eine tolle Auswahl.