Ferien im Baudenkmal
Maison Heidi – Ferien im Baudenkmal

Wenn ich an unsere Tage im Maison Heidi zurückdenke, finde ich mich inmitten lauter tanzenden Tête de Moine Rosetten wieder. Diese Käse-Rosetten haben’s uns angetan, die Girolle haben wir gehörig in Beschlag genommen. Ob zum Zmorga, zum Zmittag oder zum Znacht, immer wieder kam bei uns die lokale Käsespezialität auf den Tisch.


Aber natürlich hat der Berner Jura und die Maison Heidi weit mehr zu bieten als Käse. Ich höre die Vögel zwitschern, sehe Kühe im Gras, viele Dorfbrunnen und erinnere mich irrsinnig gerne an das Gefühl dieser Entschleunigung, dieser Ruhe. Ich denke an gut bestückte Brockenhäuser, an würzige Rauchwürste und Butterzopf vom Hofladen. Sowieso diese Hofläden, meist unscheinbar, simpel in der Machart, aber grandios in der Ausführung – mit hausgemachtem Bärlauchpesto, Frischkäse, vielerlei Sorten Joghurt und selbstverständlich kübelweise Double Crème. Und da wäre ich bereits beim nächsten Stichwort: Double Crème. Ich wusste es ja vom Hörensagen, im Berner Jura da gibt man viel auf die Doppelstufigkeit des Rahms und weiss das Fett zu schätzen. Wir waren voll und ganz auf Linie und während Voll- und Halbrahm sich noch um ihre Wertigkeiten streiten, ist das Rennen längst gelaufen: wenn du Double Crème haben kannst, dann nimmst du Double Crème. 


In der Gegend gibt’s auch einen Hexenpfad und einen Dinosaurierweg, einen Friedrich Dürrenmatt Weg sowie einen Mario Botta Aussichtsturm. Wir machten einen Tagesausflug nach Biel, besuchten das Kloster von Bellelay, die Heimat des Tête de Moine, mitsamt Käse-Museum und erkundeten Delémont und Ajoie. Die Woche in der Maison Heidi war entspannt und spannend gleichermassen, genuss- und stilvoll. Meine Highlights habe ich euch hier aufgeschrieben.


Nichts geht ohne ihn: Tête de Moine. Auch fast immer mit dabei: Rauchwürste.

Das Baudenkmal

Die Maison Heidi ist bereits von der Strasse aus zu sehen. Ein altes Bauernhaus mit grossem Umschwung, am Rande des kleinen Dörfchens Souboz. Das Haus wurde im Jahre 1684 erbaut und gilt bau- sowie gesellschaftshistorisch als wertvoll. Zum Haus zählt ein steinernen Wohnteil sowie eine grosse Scheune aus Holz. Das Herzstück ist die gewölbte Räucherküche, an derer Decke früher Würste und andere Fleischerzeugnisse gehangen haben und unter der sich das Familienleben abgespielte. Ein leicht rauchiger Geruch ist noch immer in der Luft, sehr sanft, zurückhaltend, dazwischen muss wohl fast ein Jahrhundert liegen. Aber doch habe ich das Gefühl noch etwas zu riechen, vom Rauch, vom Russ. Der Rauch hatte noch eine andere Funktion: er hat das Gebälk des Hauses zusammengehalten, indem er Ungeziefer fernhielt. Über Jahrzehnte war das Haus in Familienbesitz, seine letzten Bewohner, eine Familie mit acht Kindern, verliess es 1943. 


Fast 80 Jahre stand das Bauerhaus leer bis es nun, sorgfältig renoviert und restauriert, als wunderbarer Rückzugsort und Ferienunterkunft im Berner Jura Gäste beherbergen kann. Das Haus macht Eindruck mit seiner stolzen Küche, der hohen Gewölbedecke, den verschiedenen Holz- und Steinwänden. Gelungen und stimmungsvoll ist das Zusammenspiel zwischen neu und alt, zwischen urigen Elementen und modernem Design. Die blau verzierten Steingutkrüge harmonieren mit den blauen Horgenglarus Stühlen, rosarote Sessel passen zum hellgrauen Naturstein. Man fühlt sich wohl hier.


Heidi übrigens war die letzte Eigentümerin des Hauses, jetzt ist sie dessen Namensgeberin.


Schlafzimmer im Obergeschoss
Wohnzimmer
Texturen – das Haus hat zahlreiche zu bieten

Souboz – die Ruhe vor dem Stall

Was mir die Maison Heidi und das Dörfchen Soubouz tatsächlich genommen haben, ist diese unsägliche Fear of Missing out, oder kurz #fomo, die unter Millenials häufig grassierende Angst, etwas zu verpassen. Wobei die Generationen davor diese bestimmt auch schon hatten, nur nicht in einen Hashtag verwandelten. Ich jedenfalls wusste zum Schluss unserer Auszeit nicht mal mehr, dass diese Angst überhaupt existieren soll. 


Hinter dem Haus springen Pferde herum, es hat Alpakas, ein paar Kühe und viel Grün. Der Blick vom Schlafzimmer aus gleitet über weite Wiesen, Hügel, hinauf zu einer Kuhweide – Kühe schon wieder. Die Abendstimmung im Dorf ist ruhig, andächtig, ein älterer Herr holt seine Ponys rein, man hört ein paar Schafe im Stall, ein Brunnen plätschert. Mal fährt ein Auto durch den Weiler, selten ein Bus. Die Dorfbewohner*innen sind freundlich, interessiert, offen fürs Gespräch. Souboz liegt auf einer kleinen Anhöhung, die Abendsonne taucht das ganze Dorf in warmes Licht. So in etwa muss sie aussehen, die schöne heile Welt. 


In der Nacht ist’s mucksmäuschenstill. So gut geschlafen haben wir schon lange nicht mehr.


Hier lässt es sich einschlafen…
… oder aufwachen.

Bienvenue à la Biel oder Willkommen in Bienne

Keine Dreiviertelstunde Autofahrt entfernt, liegt die bilingue Stadt Biel. Französisch und Deutsch, Deutsch und Französisch, hier sprechen tatsächlich zwei Herzen. Biel ist eine Uhrenstadt, eine Arbeiterstadt, eine offene Stadt. Die Sporthochschule Magglingen, der Bielersee, das Berner Seeland, der Bauhausstil – all das ist hier prägend. Wer einen Tag Biel einplant, der macht alles ganz genau richtig. Die Stadt lädt zum Verweilen ein, zum Schlendern, zum Glacé schlecken am See. Für einen lauschigen Zmittag empfiehlt sich das Ecluse, Kaffee und Kuchen oder auch Znacht gibt’s in der Villa Lindenegg


Ausflug nach Biel

Rauchwürste 

Rauchfleischspezialitäten kommt einen Ehrenplatz im kulinarischen Erbe des Jura zu. Egal ob Würste, Speck oder Spareribs, fast immer sind die Delikatessen aus Schweinefleisch. Ganz besonders gehuldigt wird dem Schweinefleisch am Martinstag im November, wenn vielerlei Spezialitäten vom Schwein aufgetragen werden. Aber längst nicht nur dann. Besonders Rauchwürste, so bekomm ich den Eindruck, dürften zu den alltäglichen Grundnahrungsmitteln in der Region gehören. Die Hofläden sind auf alle Fälle immer gut bestückt und in Moutier haben wir sogar einen Rauchwurst-Automaten gefunden, bei dem wir auch an einem Sonntag unsere Würste beziehen konnten. Die Automaten-Ware schmeckte vorzüglich, verwundert hat’s uns wenig. Jeder Metzger hat sein eigenes Rezept, Salzmengen, Gewürze und Rauchdauer unterscheiden, am Schluss schmecken aber alle würzig, kräftig, rauchig und sehr gut. Früher hat längst nicht nur der Metzger geräuchert. Die Küche der Maison Heidi diente ebenfalls als Fumoir. Die rauchgeschwärzten Wänden zeugen noch heute davon. 


Die Gewölbeküche, welche einst als Fumoir diente.

Gagynole – drei Brüder und eine Brennerei

Die Gemeinde Souboz ist ein 120 Seelendorf, es hat keine Beiz, keinen Dorfladen und keinen Kiosk. Aber es hat seine eigene Brennerei. Wer braucht schon einen Volg oder einen Spunten, wenn er den Gin gleich vom Fass haben kann und einen Aperitif mit Enzianwurzel noch dazu? Eben. Letzterer, der Souboziane, auf Basis der gelben Enzianwurzel, gepaart mit Zitrusfrüchten, Schweizer Chasselas und Rübezucker, schmeckt herrlich. Etwas bitter, bisschen süss, genügend fruchtig, schlicht gut. Wer sich fragt, wie ein so kleines Dorf zu seinem eigenen Aperitif kommt, der wende sich an die drei Gyger Brüder. Sie haben die Brennerei gegründet – mit viel Leidenschaft und etwas Lokalpatriotismus. Denn um in diesem kleinen Weiler ein Business grosszuziehen, braucht’s Gespür, Mut, Vertrauen und wohl etwas Wahnsinn. Neben Souboziane und Gin verhökern die Jungs übrigens auch noch ihren lokalen Vodka.


Tête de Moine & die Crème de la Crème aus dem Jura

Egal ob Milch vom Hofladen, Mutschli aus dem Nachbarsdorf, Double Crème von hier oder Raclettekäse von da – wer Milchprodukte mag, wird es hier lieben. In der Region gibt’s gleich zahlreiche Käsereien, die Köstlichkeiten produzieren. Ob berühmt und sagenumworben wie der Tête de Moine oder klein und fein von der Bauersfamilie von nebenan – es ist für jeden Geschmack etwas dabei. Wir haben uns durchs Käsesortiment gefuttert, von grossen Namen bis zu kleinen Entdeckungen, von lange gereift bis frisch ab Kuh, haben Fondue-Mischungen gekauft (ja, es gibt sogar eine aus Tête de Moine!) und Raclettekäsesorten studiert (Safran und Forestière sind bloss der Anfang).


Der Tête de Moine, ein Rohmilchkäse mit zylinderartiger Form, muss geschabt werden, um sein volles Aroma zu entfalten. Die Überlieferung besagt, dass Nicolas Crevoisier, Ingenieur und Besitzer eines feinmechanischen Betriebs in Lajoux, nach einem Empfang mit 150 Leuten bemerkte, dass das ‘Schaben’ ungeheuer anstrengend ist. Als die Uhrenindustrie eine Flaute erlebte, suchte er in seinem Betrieb nach neuen Beschäftigungszweigen, erinnerte sich an diese Anstrengung und erfand die Girolle. Als das Patent zu Beginn des 21. Jahruhunderts erlosch, hatte seine Firma büber 3 Millionen Girolles verkauft. Wieso der Mönchskopf Mönchskopf heisst, gibt übrigens zu reden. Eine Geschichte besagt, dass der Käse an die Tonsur der Mönche erinnert, eine andere meint, das komme daher, dass man die Käselaibe früher lagerte, pro Mönch eine bestimmte Anzahl ‘Köpfe’. Der Tête de Moine steht übrigens unter Schutz, er darf ausschliesslich in der Schweiz hergestellt werden. 


Die Double Creme, ich hab’s eingangs erwähnt, geniesst hier in der Region einen Sonderstatus. Als ich nach Rezepten aus der Region gesucht habe, staunte ich nicht schlecht, dass sie es geschafft haben, die Double Crème in nahezu jeder Spezialität unterzubringen. Egal ob salziger Käsekuchen oder süsse Nidelwähe, ob hiesiger Kartoffelgratin oder Käseschnitte, die Double Crème findet ihren Platz. 


An zwei typische jurassische Rezepte habe ich mich rangewagt. Mit Double Crème gelingen beide. Comfortfood sind sie ebenfalls. Während die Totché ein bäuerliches Festmahl ist, sind die Kartoffelnocken, Flouttes genannt, sättigendes Wohlfühlessen vom Lande. Die Totché ist eigentlich eine Wähe, kommt in der jurassischen Form aber mit einem Hefeteig daher. Ich habe sie mit Spargel gepaart, gelingt mit Zucchetti oder Kürbis aber genauso gut. Je nach Saison oder Geschmack. Früher wurde der Guss für die Totché oftmals mit Kolostrum gemacht. Kolostrum ist die Erstmilch fürs Kalb, also jene Milch, welche nur die ersten zwei Tage zur Verfügung steht und ganz besonders nahrhaft ist. Die Flouttes sind jetzt nicht der ideale Snack, um sich seiner Bikini-Form anzunähern, aber genau das spricht doch für ihren Geschmack.



Les Flouttes

Ein jurassische Kartoffelgericht – sämig, nahrhaft und wohltuend.
Portionen 4 Personen

Zutaten

  • 100 g Butter
  • 1 kg Kartoffeln (mehligkochend)
  • etwas Salz
  • 1 Zwiebel
  • grobkörniges Meersalz, Pfeffer aus der Mühle
  • Muskatnuss, frisch gerieben
  • 3 EL Rapsöl
  • 250 ml Vollrahm
  • hausgemachtes Apfelmus oder Apfelkompott

Anleitung

1

  • Die Kartoffeln schälen, in Würfel schneiden und in leicht gesalzenem Wasser garen. Dann die Kartoffeln abtropfen lassen und noch warm durch die Kartoffelpresse drücken oder zerstampfen.

2

  • Die Zwiebel ganz fein hacken und gemeinsam mit 50g von der weichen Butter, Salz, Pfeffer und Muskatnuss zum Kartoffelpüree geben. 

3

  • Einen Esslöffel ins Öl tauchen und aus dem Püree eierförmige Nocken ausstechen. Diese in eine Gratinform legen. Den Rahm etwas würzen und über die Nocken giessen. Im Backofen für 15 Minuten backen. Vor dem Servieren die restliche Butter erhitzen, bis sie hellbraun ist. Die Flouttes damit begiessen. Mit hausgemachten Apfelmus servieren. 

Totché

Der jurassische Rahmkuchen – hier frühlingshaft mit Spargel. Im Sommer eignen sich Zucchetti oder im Herbst Kürbis genauso gut.
Portionen 4 Personen

Zutaten

Für den Teig

  • 300 g Weissmehl
  • 1/2 TL Salz
  • 25 g Butter
  • 2 EL Rapsöl
  • 2 dl Milch
  • 10 g Hefe, zerbröckelt

Für den Belag & das Topping

  • 300 g Double Crème
  • 2 Eier
  • Safranfäden
  • Grobkörniges Meersalz, Pfeffer aus der Mühle
  • 200 g grüner Spargel
  • 2 EL Olivenöl
  • 1 EL Apfelbalsam

Anleitung

1

  • Für den Teig Mehl und Salz mischen, eine Mulde formen. Butter und Öl dazugeben. Lauwarme Milch und Hefe anrühren, dazugeben, zu einem glatten Teig kneten. Zugedeckt bei Raumtemperatur auf das Doppelte aufgehen lassen.

2

  • Teig auswallen und zwar circa so gross wie auch die Wähenform. Wähenform mit Backpapier auskleiden oder sehr gut einfetten und Teig hineingeben, den Rand mit den Fingern formen. Nochmals 15 Minuten aufgehen lassen. Boden mit einer Gabel einstechen.

3

  • Für den Guss Eier mit Doppelrahm und Safran verrühren, auf dem Teig verteilen. Kuchen für ca. 20 bis 25 Minuten in der unteren Hälfte des auf 220 Grad vorgeheizten Ofens backen. Herausnehmen und etwas auskühlen lassen, dann aus der Form nehmen.

4

  • Spargel waschen, hölzerne Enden entfernen und mit dem Sparschäler feine Spargelstreifen hoblen. Für 2 Minuten, nicht länger, im Salzwasser blanchieren. Abtropfen lassen, mit Olivenöl und Apfelbalsam, Salz und Pfeffer anmachen und sorgfältig auf die Totché geben. Das Gericht lauwarm geniessen. 

Teile deine Gedanken