no knead bread
Einkaufen in Zeiten von Corona

Ich kurve mit meinem Einkaufswagen durch die Gänge voller Cornflakes und Cookies. Immer auf der Hut vor hustenden Zeitgenossen, leicht in den Knien, um jederzeit einem Virenschwall davonzukommen. Einkaufen in Zeiten von Corona ist anders als zuvor. 


Anno dazumal. Ich hab gut und gerne 50 Minuten im Grossverteiler vertrödelt, um gerade mal 30.- CHF liegen zu lassen. Aber man muss ja schauen, was so zum Verkauf geboten wird. Eine neue Joghurtsorte im Angebot, den Tofu in einer saisonalen Geschmacksrichtung, an mir ging sowas nicht vorbei. Heute ist das anders. Ich kaufe schnell und unbeeindruckt von Neuheiten und Aktionen, möglichst zielstrebig, um die virengeschwängerte Luft bald wieder zu verlassen. 


In meiner Blousontasche habe ich, neben meinem eigenen, gleich vier weitere Einkaufszettel stecken. Für Familienmitglieder und Fremde einzukaufen, das eine neue Erfahrung aus diesen Zeiten. Während ich normalerweise mehr oder weniger planlos durch den Laden streife und mich von Hunger und ‘Gluscht’ leiten lasse, bin ich heute strukturiert wie kaum je zuvor. 


Nicht nur Struktur ist von Nöten, auch Konzentration, wenn es fünf Einkäufe gleichzeitig zu bedienen gilt. Hinzu kommt eine weitere Unbekannte: Unerfahrenheit. Während ich mich vorher stets in gewohnten Gefilden bewegte, muss ich nun Milchpulver für Kleinkinder finden oder den gewünschten Kaffee fürs passende Kapselsystem.


Beichtstuhl & Striptease

Wie privat doch die eigenen Einkäufe sind, wird mir erst in dieser Corona Zeit bewusst. Einkaufslisten offenbaren Vorlieben und Gewohnheiten, Intoleranzen und Glaubensgrundsätze. Einkaufslisten geben einen tiefen Einblick ins Leben Daheim. Seit eh und je hat mich der Blick in den Kühlschrank bei anderen fasziniert. Sei es bei den Grosseltern oder einer Freundin, hinter die Kühlschranktür hab ich immer gern geschaut. Den gesamten Wocheneinkauf für jemanden anderen zu erledigen – das ist wie der Blick in den Kühlschrank mitsamt Beichtstuhl und Striptease. 


Ich erwische mich immer wieder dabei, wie ich gedanklich den Zeigefinder hebe und besserwisserisch auf Saisonalität hinweise. Himbeeren und Tomaten im März? Echt jetzt. Ähnliche Ressentiments überkommen mich bei Fertiggerichten. Elf Fertigmenüs müssen es sein. Von Riz Casimir über Zürcher Geschnetzeltes bis hin zum Fleischvogel – alles für die Mikrowelle, alles in 2 Minuten auf dem Tisch. Aber alles ziemlich bullshit.


Mein Einkaufswagen ist schon Bersten voll. Neben den Mikrowellen Menüs türmen sich Cornflakes, Milchpackungen, Kekse und Lyonerwürste. Mir ist der Wagen peinlich und am liebsten würde ich ausrufen lassen, dass ich auf einer Mission bin und die Kommissionen nicht die meinen sind. Gleichzeitig find ich mich albern, dass ich solche Schamgefühle hege.


Cumulus Card auf Abwegen

Total auf Abwegen muss meine Cumulus Karte gerade sein. Während ich früher eine verlässliche Konsumentin war und mein Profil perfekt schubladisiert werden konnte, dreht der Rechner heut vermutlich am Rad. Mein Alter, meine Essgewohnheiten, meine Umstände – was vorher gesichert war, scheint jetzt alles ausser Kraft. Ob ich künftig mit Werbung für Schwangere erhalte oder auf Aktionen der Fertigmenüs hingewiesen werde, bleibt abzuwarten.


Es ist schon länger her, als ich das letzte Mal aufmerksam und kaufwillig vor dem Cornflakes Regal stand. Ich esse selbstgemachtes Müsli oder Porridge, so kommt’s, dass ich das fancy zuckrige Cornflakes Regal längere Zeit ausgelassen habe. Nun musste ich aber mal wieder Frosties kaufen, auf Auftrag versteht sich. Dabei sind sie mir nicht entgangen, das grosse Sixpack Cereals im Mini-Format mit allen Sorten, die sich Kind nur wünschen kann. Von Smacks über Rice Crispies bis hin zu Choco Pops. Mein Herz hüpft, weil ich mich an Kindstage erinnere, an denen diese geballte Ladung Auswahl mich in einen halben Glücksrausch zu versetzen vermochte. 


Die Pastetli Familie

Es kommen auch Vorlieben aus unserem eigenen Haushalt zu Tage, von denen ich bis anhin nichts wusste. Wir kaufen für die Eltern sowie für die Grossmutter von meinem Freund Pastetli – und das gleich mehrmals. Worauf mein Freund mir offenbart, dass auch er Pastetli liebte, sie aber meinetwegen bereits abgeschrieben hätte. Ich komme mir vor wie ein Küchendrache und Genuss-Diktator zugleich und nehm mir fest vor, es mal wieder mit ihnen zu probieren. 


Einkaufslisten sind gleich und doch anders. Während die einen einfach ‘Äpfel’ oder ‘Schokolade’ schreiben, lassen dir andere den Spielraum eines Batteriehuhnes. Dann heisst es ‘Bio M Selection Venere Reis’ oder ‘Noir Spécial 72% Cacao’ und gefordert wird das und nichts anderes. Auch mein Nani übergibt ihre Einkaufsliste jemandem Fremden, aber nicht mir, da sie in Davos wohnt. Ihr Problem ist nicht, dass sie nur ein ganz bestimmtes Produkt will, sondern, dass sie sich nun plötzlich fragt, wie man denn Chicorée schreibt. 


Auch muss immer wieder schmunzeln, wenn die Grossmutter vom Freund ihre Wünsche auch gleich noch mit exaktem Preis und Standort versehen kann. «Den M Classic Fruchtsalat für 1,55 CHF, weisst du, jener mit 260 g Abtropfgewicht, der ist links hinten, gleich neben der Ananas in der Dose.» Es scheint, als ob die älteren Leuten ihren Gewohnheiten noch treuer bleiben und nach dutzenden Jahren oder einem halben Leben Califlor Schokopulver weiss frau genau, was sie kauft. Natürlich hab ich auch mal daneben gegriffen, das sei mir verziehen. 


Ich habe während des Lockdowns das Brotbacken für mich entdeckt. Nicht etwa aufwändiges Sauerteigbrot, nein, das Anfängerbrot für Faule hat es mir angetan. Das sogenannte No Knead Bread. Kein Kneten, kein Rechnen, kein Anstellgut füttern, lediglich Mehl und Trockenhefe solltest du daheim haben. Aber nach den Hamsterkäufen der letzten Woche bin ich versucht zu glauben, dass jeder Haushalt en masse davon beherbergt. Also, nichts wie los.


no knead bread

No Knead Bread

Das schnellste und einfachste Brot überhaupt. Grossartig im Geschmack ist's übrigens auch.

Equipment

  • Einen Bräter oder Gusseisentopf

Zutaten

  • 600 g Halbweissmehl
  • 3 TL Meersalz
  • 1 TL Trockenhefe
  • 550 ml kaltes Wasser

Anleitung

1

  • Fürs Brot Mehl, Salz und Trockenhefe gut mischen. Das Wasser zugeben und alles kurz gut miteinander vermengen, jedoch nicht kneten. Mit Klarsichtfolie abdecken und bei Raumtemperatur für circa 20 Stunden ruhen lassen.

2

  • Den Gusseisentopf oder Bräter mitsamt Deckel für mindestens 60 Minuten (oder bisschen mehr) im Ofen bei 240 vorheizen. Der Topf sollte dann so richtig heiss sein. Den Teig auf ein gut bemehltes Backpapier gleiten lassen. Der Teig flutscht eher, das soll aber so sein. Das Backpapier mitsamt Teig in den Topf geben. Mit einem scharfen Messer zweimal einritzen. Den Deckel draufgeben und in der Mitte des auf 240 Grad vorgeheizten Ofens für 45 Minuten backen.

3

  • Dann Deckel entfernen und bei 230 Grad für weitere 20 Minuten backen. Herausnehmen und Brot mitsamt Backpapier sogleich aus dem Topf heben und auf einem Gitter abkühlen lassen. Nach circa 1 Stunde ist das Brot ready zum Verzehr.

Dieser Text und dieses Rezept hab ich für Fempop geschrieben, das Schweizer Magazin für Feminismus und Popkultur. Schaut unbedingt mal vorbei, es lohnt sich.

1 Kommentar

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Freitag Style – lilalivantworten
Mai 29, 2020 um 07:05 AM

[…] von MAGSFRISCH hat das Rezept für das schnellste und einfachste Brot […]

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