Wir passieren die Grenze zwischen Montenegro und Albanien. Keine 10 Minuten sind vergangen. Nach kurzer Fahrt auf albanischem Boden spreche ich dann auch schon mein erstes Albanisch. Lavazh ist das erste Wort, das ich so schnell gelernt habe wie Shaqiri sprintet. Lavazh steht für Autowaschanlange und weil in zuverlässigen Abständen von 200 Meter immer wieder eine Lavazh steht, hätte auch der unmotivierteste Schüler sein Erfolgserlebnis gehabt. Die meisten Waschanlagen sind einfach ausgestattet – Schlauch, Waschlappen und Scheibenwischer. Seinem Auto trägt man hier in Albanien Sorge, das ist uns schnell klar.
Vorurteil und Realität
Mit soviel Klischee geht’s nicht weiter. Jahrzente lang von der Aussenwelt abgeschottet, klaffen kaum irgendwo sonst Vorurteil und Realität so weit auseinander wie hier. Albanien ist arm. Es ist aber auch reich, reich an landschaftlicher Vielfalt, reich an Bergen, Stränden, herzlichen Menschen und einem mediterranen Lebensgefühl.
Albanien erinnert an Griechenland, nur mit weniger Touristen. Ähnelt Italien, ist aber günstiger. Während die meisten Touristen schon in Kroatien hängen bleiben, verschlägt es hier her nur wenige. Zum Glück für all die, die dann doch da landen. Okay gut, albanischstämmige Touristen hat es viele, Menschen, die entweder vor dem Kommunismus oder vor dem Krieg geflohen sind, ihr Lebensmittelpunkt mittlerweile in Deutschland, Schweden, in der Schweiz oder sonst wo haben.
Doppeladler bis zum Abwinken
Albanien ist kein Touristenmagnet. Strassen, gezäumt von Souvenirläden, die Aschenbecher und Postkarten, statt Brot und Wurst verkaufen, sehen wir keine. Mit leeren Händen muss aber auch der Albanien-Tourist nicht abreisen. An der Strandpromenade oder auf dem Dorfplatz tummeln sich die Marktschreier, die ihre Ware unters Volk bringen wollen. Wer nach folkloristischen Strickdecken oder traditionellem Handwerk sucht, muss erst mal geduldig sein. Die allermeisten Souvenirs in Albanien kommen mit ein und demselbem Sujet aus: der Doppeladler. Dieser ziert Badetuch, Aschenbecher, Autowimpel und Baby-Strampler gleichermassen.
Aufbruchstimmung
Albanien ist ein säkulares Land. Frauen mit Kopftuch sehen wir selten. Wenn, dann sind es Alte. In Albanien sind Hochzeiten zwischen Muslimen und Christen nichts ungewöhnliches. Unter den Kommunisten war Albanien das offiziell einzige atheistische Land der Welt, alle Religionen waren verboten. Albanien ist ein Land mit einer liberalen Gesellschaft. Das Zentrum dieser weltoffenen Gesellschaft liegt in Tirana, der Hauptstadt. Hier leben viele Junge, sie kommen aus dem ganzen Land, um zu studieren, Arbeit zu finden oder einfach das Albanien zu erleben, das den Aufbruch sucht. Albanien geht’s wirtschaftlich schlecht. Die Jugendarbeitslosigkeit beträgt fast 30% und viele gerade junge Menschen verlassen das Land. Hoffnungslosigkeit sieht dennoch anders aus. Hier geht man aus, versucht sich ein Geschäft aufzubauen, eine Idee umzusetzen, hier wird geflirtet und getanzt, geraucht und gelacht.
Traumstrände
Weiter im Süden wird’s idyllisch. Die albanischen Strände lassen sich sehen. Türkisblau das Wasser, weiss und steinig der Strand. Auch einsame Strände gibt’s in Albanien noch. Wer etwas weniger Einsamkeit, dafür aber Beach Bars und Liegestühle sucht, ist in Ksamil oder Saranda genau richtig.
Im Ksamil habe ich einer alten Dame täglich Feigen abgekauft. Ich gerate jetzt noch ins Schwärmen, wenn ich an diese Früchte denke. Sie waren reif, dunkelviolett aussen, bordeaux im Innern und so süss, dass eine Feigenkonfiture daneben vor Neid erblasst. Weil sie so günstig waren, kaufte ich täglich ein Kilo. Und weil sie so reif waren, musste ich sie auch im gleich Tempo wieder vernichten.
Die NY Times wird’s wissen
Albanien verfügt über eine grosse Geschichte, über die UNESCO-Weltkulturerbe-Stätten Butrint, Berat und Gjirokastra, über Sehenswürdigkeiten wie das grösste Amphitheater der Balkanhalbinsel in Durres oder die antike Stadt Apollonia.
Die NY Times veröffentlichte kürzlich eine Liste mit 50 Orten auf der Welt, die ein Mensch im Laufe seines Lebens mal gesehen haben muss. Albanien belegte Platz 4, vor allen anderen grossen europäischen Orten.
Wer Albanien bereist, sollte weder karibische Luxus Hotels noch skandinavischen Chic erwarten – und Offenheit und Neugier werden belohnt mit aussergewöhnlichen und bleibenden Überraschungen.
Food Reise nach Albanien
Ich freu mich irrsinnig, dass ich im Spätsommer 2021 eine Food Reise nach Albanien anbieten darf. Gemeinsam mit dem Reisebüro REX – Reisen mit Experten – organisieren ich eine zehntägige Rundreise durch Albanien – immer schön dem Essen nach. Wir werden vieles probieren, selber kochen, Menschen kennenlernen, die Natur bewundern, es bleibt auch viel Zeit für Gespräche, Wein (& selbstverständlich auch Raki) und Erholung. Ich würde mich wirklich ganz enorm freuen, wenn ich einige von Euch auf dieser Reise kennenlernen dürfte.
Die Reise findet Ende August/ Anfang September 2021 statt. Das genaue Datum wird noch bekanntgegeben. Die Reise war ursprünglich für den Herbst 2020 geplant, aber die momentane Situation macht ein unbeschwertes Reiseerlebnis gerade nur schwer möglich. Das genaue Programm gibts hier.
Auf bald zum Burek essen an der albanischen Riviera.